Gesundheitskarte

Ich habe heute leider kein Foto für Dich…

…sagt Heidi Klum zu ihrer Topmodel-Kandidatin. Was sagen Sie Ihrer Krankenkasse? Viele gesetzlich Krankenversicherte wurden bereits oder werden in den nächsten Monaten von ihrer Krankenkasse aufgefordert, für die neue elektronische Gesundheitskarte ein Foto einzuschicken. Müssen Sie die Aufforderung befolgen? Was passiert, wenn Sie sich weigern?

Wozu ein Foto?
Das Bild soll die Karte vor Missbrauch durch Fremde schützen. Das klingt sehr sinnvoll. Allerdings wird dagegen auch ein stichhaltiger Einwand vorgebracht: Soll das Foto jeden Missbrauch verhindern, müsste sichergestellt werden, dass das abgelieferte Bild wirklich zu der Person gehört, in deren Namen die Karte ausgestellt wird. Eine solche Prüfung ist aber nicht vorgesehen.

Es geht nicht nur um das Foto.
Manche Krankenkassen tun so, als sei das Foto das einzig Neue an der neuen Karte. Das ist aber völlig falsch. Die elektronische Gesundheitskarte ist der Einstieg in eine Welt vernetzter Computer, das sogenannte Telematik-System, zu dem sie nur den Schlüssel bildet. Patientendaten sollen zukünftig nicht mehr in der Praxis der Ärzte gespeichert werden, sondern auf Servern irgendwo im Hintergrund, zu denen diese Karte Zugang verschafft. Welche Gefahren das haben kann, haben wir bereits in früheren Beiträgen beschrieben.

Muss ich ein Foto einschicken?
Die elektronische Gesundheitskarte sollte schon zum 1.1.2006 eingeführt sein. Bis zum selben Datum – also vor fast sechs Jahren – hätten auch alle bisherigen Krankenversichertenkarten um ein Foto des Versicherten angereichert bzw. in eine elektronische Gesundheitskarte umgewandelt werden müssen (§§ 291 und 291a SGB V). Die bisher eingetretene Verzögerung von fast sechs Jahren sieht das Gesetz nicht vor.

Im Gesetz sind jedoch Ausnahmen von der Foto-Pflicht vorgesehen: »Versicherte bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres sowie Versicherte, deren Mitwirkung bei der Erstellung des Lichtbildes nicht möglich ist, erhalten eine Krankenversichertenkarte ohne Lichtbild« (§ 291 Abs. 2 Satz 1 SGB V). Demnach wäre es möglich, dass Foto-Verweigerer eine Karte ohne Lichtbild erhalten. Jedenfalls ist nirgends geregelt, dass die Verweigerung eines Fotos irgendwelche Nachteile bringen darf. Im schlimmsten Fall erhält man einfach keine eGK und muss sein Versicherungsverhältnis auf anderem Wege nachweisen. Sogar das Bundesgesundheitsministerium soll Presseberichte dementiert haben, die angenommen hatten, man verliere den Versicherungsschutz, wenn man kein Foto einsende.

Soll ich ein Foto einschicken?
Das müssen Sie natürlich selbst entscheiden. Informieren Sie sich bei allen Seiten:

Die optimistische Sichtweise finden Sie beim Bundesgesundheitsministerium. Dort wird davon ausgegangen, dass jeder gesetzestreue Bürger ein Foto einschickt.
Das gleiche gilt für die Krankenkassen – ihnen hat die letzte Gesundheitsreform auferlegt, bis Ende 2011 für zehn Prozent ihrer Versicherten eine elektronische Gesundheitskarte auszustellen, andernfalls werden ihre Verwaltungsausgaben um zwei Prozent gekürzt.
Skepsis vermitteln und erhärten die Stellungnahmen der »Aktion Stoppt die e-Card«. Dort sind auch Hinweise und ein Musterbrief abgedruckt, was man seine Krankenkasse zunächst fragen kann, um seine Entscheidung zu fundieren.
Der Chaos Computer Club (CCC) hat schon 2008 vom Einschicken eines Fotos abgeraten, weil er gravierende Sicherheitsprobleme sah. Untermauert wird das durch einen ebenfalls schon älteren Beitrag des Internet-Portals »Krankenkassen direkt«.
Auch in der Ärzteschaft sind die skeptischen und ablehnenden Stimmen noch immer laut und kräftig zu vernehmen. Mehrere Ärzteverbände haben kürzlich wieder an den neuen Bundesgesundheitsminister appelliert, die eGK zu stoppen. Und beim Ärztetag im Mai 2011 wurde kein neuer Beschluss zur eGK gefasst, so dass die ablehnende Haltung der Ärzte-Basis nach wie vor Bestand habe, ungeachtet teils abweichender Meinungen bei den Funktionären (wie eine kritische Ärztin berichtet).
Die FDP-Bundestagsfraktion hat noch Ende 2008 als Oppositionspartei im Bundestag einen Stopp der eGK gefordert: »Die Einführung der elektronischen Gesundheitskarte muss zurückgestellt werden, bis sichergestellt ist, dass die Voraussetzungen der Datensicherheit erfüllt sind. Das muss durch unabhängige Sicherheitsexperten überprüft sein. Die Zeit der Aussetzung ist zudem zu nutzen, um noch einmal gründlich zu prüfen, ob technische Alternativen zur Speicherung von Daten gegenüber zentralen Serverlösungen nicht der bessere Weg sind, mit solch sensiblen Daten umzugehen. Regelungsbedürftig ist auch die Frage, wie das ganze Verfahren so praktikabel gemacht werden kann, dass keine Verzögerungen z.B. in den Arztpraxen entstehen. Es müssen datenschutzrechtlich unangreifbare Lösungen auch für die Fälle vorgesehen werden, in denen Menschen mit den Anforderungen durch die Eingabe einer PIN-Nummer nicht zurechtkommen oder aus gesundheitlichen Gründen dazu nicht in der Lage sind.«
Wie die Bundesregierung das jetzt, gut zwei Jahre später, sieht, offenbart ihre Antwort auf eine kleine Anfrage der Linkspartei im Bundestag vom 16.5.2011. Von Zweifeln an Sinn, Sicherheit und Beherrschbarkeit ist hier nichts mehr zu spüren.

Quelle: VBZ Hamburg