Eu Schuldenkrise:Der Bankenverband

Die ungeordnete Insolvenz eines Euro-Landes ist weiterhin ein großes Risiko für die Stabilität des Finanzsystems.

Das liegt auch daran, dass Anleihen von Euro-Staaten eine besonders sensible Anlageklasse sind. Sie wurden bis zum Ausbruch der Staatsschuldenkrise mit sehr hohen Bonitätsnoten versehen und deswegen bevorzugt von Investoren wie Pensionsfonds, Versicherungen oder risikoscheuen Privatanlegern gehalten, die großen Wert auf Sicherheit legen. Dementsprechend niedrig waren auch die Renditen, die die Anleger bis ins Jahr 2007 hinein mit Staatspapieren der Euro-Staaten erzielen konnten. Darüber hinaus genießen europäische Staatsanleihen Vorzüge im Rahmen der aufsichtsrechtlichen Eigenkapitalunterlegung und als Sicherheit für den Zugang zu Zentralbankgeld. Dies erklärt, warum unter anderem Banken vergleichsweise hohe Bestände an diesen Wertpapieren halten. Der relativ hohe Anteil von Staatsanleihen in den Händen von Banken, Versicherungen und Pensionsfonds verschärft nun allerdings die Komplexität der Staatsschuldenkrise.

Vor dem EU-Ratsgipfel: die aktuell diskutierten Fragestellungen
Beim Treffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union am 24. und 25. März stehen weitreichende Beschlüsse an. Unter anderem geht es um folgende Aspekte:

Details für den permanenten Krisenmechanismus ESM (Europäischer Stabilisierungsmechanismus),
die Handlungsmöglichkeiten der Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität (EFSF),
einem Legislativpaket zur wirtschaftspolitischen Abstimmung und zur Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten sowie die Umsetzung des von Deutschland und Frankreich vorgeschlagenen Wettbewerbspakts.

Äußerst komplexe Fragen sind also zu behandeln, die weitreichende Auswirkungen auf die Stabilität der Währungsunion, aber auch auf die Struktur und Liquidität des Anleihemarktes haben werden. Aus Sicht der privaten Banken in Deutschland sollten dabei vier Aspekte besonders berücksichtigt werden:

1. Aufkauf von Staatsanleihen im Rahmen der Rettungsmaßnahmen überlegenswert
Es ist überlegenswert, die Kompetenzen der EFSF zu erweitern – zum Ankauf von Anleihen am Sekundärmarkt oder zur Kreditvergabe an Problemländer, damit diese eigene Anleihen zurückkaufen können. Unmittelbarer Vorteil wäre, dass sich die Europäische Zentralbank aus ihrem eigenen Ankaufprogramm zurückziehen und wieder auf ihre geldpolitische Kernaufgabe konzentrieren könnte. Ankäufe am Sekundärmarkt durch die EFSF könnten dann dafür sorgen, dass im aktuell unsicheren Umfeld die wichtige Marktpflegefunktion erhalten bliebe. Der direkte Rückkauf von Staatsanleihen durch die betroffenen Länder aus EFSF-Krediten hätte daneben einen weiteren Vorteil: Geschähe der Ankauf bei unter dem Nennwert liegenden Kursen, würde dies zu einer Reduktion des Schuldenstands und zur Verbesserung der Schuldentragfähigkeit des jeweiligen Landes führen.

Bei einem Ankauf- bzw. Rückkaufprogramm darf jedoch kein Zwang ausgeübt werden. Dies würde möglicherweise faktisch als „Default“ gewertet. Und: Wegen spekulativer Rückschlüsse auf ähnliche Strategien anderer Euro-Staaten wären die Ansteckungsrisiken enorm. Aufgrund der notwendigen Freiwilligkeit sollte das Volumen einer möglichen Schuldenreduktion aber nicht überschätzt werden. Dennoch wäre ein Rückkaufprogramm schon deswegen hilfreich, weil risikoscheue Investoren ihre Position zu einem kalkulierbaren Preis schließen könnten.

2. Collective Action Clauses: grundsätzlich sinnvolles Instrument
Ab 2013 soll der Europäische Stabilisierungsmechanismus (ESM) die EFSF und den Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) ersetzen. In dem entsprechenden Grundsatzentscheid ist vorgesehen, dass Collective Action Clauses (CACs) in Staatsanleihebedingungen aufgenommen werden. Mit CACs wird ein Rechtsrahmen geschaffen, der Umschuldungsverhandlungen mit heterogenen Gläubigergruppen durch Mehrheitsvoten erleichtern kann. Auch wenn völlig identische CACs angesichts unterschiedlicher nationaler Schuldverschreibungsrechte unrealistisch sind, muss zumindest eine Vergleichbarkeit der wichtigsten CAC-Elemente hergestellt werden, etwa durch einheitliche Quoren und Abstimmungsmechanismen. Gelingt das nicht, könnte es zu einer Zersplitterung der Marktliquidität für europäische Staatsanleihen kommen.

3. Übergangslösungen vom EFSF zum ESM
Ohne eine deutliche und nachhaltige Verbesserung der allgemeinen Einschätzung zur längerfristigen Schuldentragfähigkeit dürfte die Einführung von CAC-Anleihen zumindest bei den hochverschuldeten Euro-Ländern zu Akzeptanzproblemen auf Investorenseite führen. Faktisch wären sie nämlich nachrangige Anleihen, auf denen am Anfang – wenn das Volumen an CAC-Anleihen im Vergleich zu den alten Anleihen noch sehr gering ist – ein besonders hohes Risiko lastet. Es müssen daher Übergangslösungen gefunden werden, um dieses Akzeptanzproblem zu entschärfen. Ansonsten drohen nennenswerte Risikoaufschläge. Denkbar wären zum Beispiel Regelungen in Neuemissionen, nach denen eine Verlustteilnahme zunächst auf einen festen Betrag begrenzt ist, der im Zeitablauf sukzessive angehoben wird.

4. Restrukturierung von Altschulden nur auf freiwilliger Basis
Sollte trotz aller Anstrengungen die Umstrukturierung der Schulden eines Euro-Landes vor dem auch politisch propagierten frühesten Termin im Jahr 2013 unvermeidlich sein, sind folgende Punkte von besonderer Bedeutung:

Eine Restrukturierung kann und darf aus Gläubigersicht nur auf freiwilliger Basis erfolgen.
Gerade institutionelle Investoren sind stark in Staatsanleihen engagiert. Käme es zu einer Umschuldung, müsste dafür Sorge getragen werden, dass ihre gesamtwirtschaftlichen Funktionen nicht über Gebühr beeinträchtigt würden. Ein EFSF-Rückkaufangebot zu einem vertretbaren Preis könnte eine Option sein.
Eine Restrukturierung muss ein singuläres Ereignis sein. Deswegen gilt es zu vermeiden, dass andere Länder hierin einen bequemen Weg sehen, ihre Schulden loszuwerden. Aber auch Ansteckungseffekte auf andere Problemländer, etwa durch
übersteigertes Misstrauen der Investoren, müssen verhindert werden. Deshalb wäre es hilfreich, wenn vor einer Restrukturierung die notwendige Zeit gegeben wird, damit andere Risikoländer durch Reformen in ihren Staatshaushalten Primärüberschüsse (Haushaltssaldo ohne Zinszahlungen) aufweisen können, was das Ansteckungsrisiko deutlich reduzieren würde.
Bei einer Umschuldung darf keine Investorengruppe bevorzugt werden; alle Anleiheinhaber müssen die gleichen Rechte haben. Die korrekte Abwicklung von Repo- und Kreditsicherungsgeschäften (einschließlich CDS) muss uneingeschränkt gewährleistet sein. Ansonsten würden bisherige Annahmen über Ausfallwahrscheinlichkeiten außer Kraft gesetzt. Die Vorstellung, mit einem Nutzungsverbot von Absicherungsgeschäften Kettenreaktionen zu vermeiden, wäre ein fataler Trugschluss: Gerade das Ausschalten von solchen Sicherungsinstrumenten würde unvorhersehbare Folgen haben und die allgemeine Unsicherheit sprunghaft erhöhen.

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Umfassender Gesamtansatz erforderlich
Eine nachhaltige Bereinigung der Staatsschuldenkrise ist nur durch das optimale Zusammenspiel akuter Rettungsmaßnahmen und langfristiger Reformen möglich. Langfristig sind dabei folgende Schritte erforderlich:

Konsolidierung und wachstumsfördernde Reformen in den hoch verschuldeten Staaten.
Eine wirksame Stärkung des Stabilitäts- und Wachstumspaktes verbunden mit einer besseren Kontrolle und Durchsetzung der Stabilitätsregeln.
Eine engere finanzpolitische Koordination unter den Euro-Staaten.
Ein dauerhafter Krisenbewältigungsmechanismus, mit dem sich Investoren frühzeitig auf die Rahmenbedingungen einstellen können, unter denen in Zukunft agiert wird; Startbedingung hierfür sind geordnete Staatsfinanzen aller beteiligten Länder.
Klare und transparente Vorgaben für Emittenten und Investoren zur künftigen Struktur des Marktes für Staatsanleihen; dabei gilt es, zu viele differenzierte Instrumente und Anlageklassen zu vermeiden, um das Investorenvertrauen nicht zu untergraben.
Ein starker Finanzsektor, der Verluste aus etwaigen Umschuldungen künftig ohne eine Existenzgefährdung des Gesamtsektors verkraften kann, sowie eine Bankenregulierung, die sicherstellt, dass im Krisenfall auch komplexe Finanzinstitute scheitern können.

Quelle:BdB